Mexikanische Fachkräfte sollen Notlage bei Physiotherapeuten in Ostfriesland lindern

Einen Termin beim Physiotherapeuten zu bekommen, wird immer schwieriger. Das Problem: Es gibt viel zu wenige Fachkräfte. Zwei Betreiber von therapeutischen Praxen aus Rhauderfehn (Ostfriesland) setzen deshalb in Zukunft auf Physiotherapeuten aus Mexiko.   

Als Türöffner dient ihnen dabei die Wachstumsregion Ems-Achse. In Mexiko werden die Fachkräfte nach Einschätzung von Knut Hofmayer “länger, moderner und besser ausgebildet” als in Deutschland. Umso mehr ärgert sich der ostfriesische Physiotherapeut und Dozent über die deutsche Bürokratie, die den Fachkräften aus Mexiko unnötigerweise bei der Integration viele Steine in den Weg legt.   

Doch der Reihe nach: Nicht zum ersten Mal reiste eine Delegation unter Federführung der Wachstumsregion Ems-Achse nach Mexiko, um dort Fachkräfte zu rekrutieren. Beim letzten Mal konnten Metallbetriebe aus der Region erfolgreich junge Mexikaner anwerben.  

Bei der zehntägigen Reise in diesem Sommer suchten Physiotherapeuten gezielt in Mexiko nach Fachkräften. Unter der Leitung von Projektmanagerin Stephanie Leigers von der Wachstumsregion Ems-Achse, die viele Jahre in Mexiko lebte und arbeitete, reisten Knut Hofmayer und Petra Meyer mit weiteren Teilnehmenden in das lateinamerikanische Land.   

Beide betreiben jeweils eine eigene Praxis im ostfriesischen Rhauderfehn und für beide wird es immer schwieriger, Fachkräfte zu finden. “Da muss man schon ganz viel Glück haben”, sagt der Rhauderfehntjer in einem Pressegespräch. Leider bedeute dies für seine Patienten lange Wartezeiten. Nach Angaben von Stephanie Leigers fehlen in Deutschland 60.000 Physiotherapeuten. “Trotz der großen Misere werden bei uns immer noch viel zu wenige ausgebildet”, so Hofmayer.  

Bei ihrer Informationsreise in Mexiko konnte sich die deutsche Delegation um Petra Meyer hingegen vor Ort überzeugen, dass “die Physiotherapeuten dort viel besser und qualifizierter ausgebildet werden als in Deutschland”.   

 

In Mexiko studieren die Anwärter vier Jahre für den Bachelor of Physiotherapie. Dabei informierte sich die Gruppe dank der Kontakte von Stephanie Leigers konkret an Universitäten wie IPETH, Universidad Teleton und dem Centro Nacional de Rehabilitacion in Mexiko-Stadt und Puebla. Hier erfuhren sie, dass es anders als bei der deutschen, rein schulischen Ausbildung einen viel intensiveren praktischen Part gibt. Die Studenten arbeiteten bereits in den Praxen der Universitätskliniken mit. So würden sie zum Beispiel einkommensschwache Patienten behandeln, die sich ansonsten eine fachspezifische physiotherapeutische Behandlung gar nicht leisten könnten. Die Universität Teleton bildet überwiegend für ihre insgesamt 18 eigenen Rehabilitationszenten aus, darunter eine Fachklinik für pediatrische Onkologie.   

Aber auch der theoretische Part sei im Vergleich zur deutschen schulischen Ausbildung rund 1200 Unterrichtsstunden umfangreicher. “Die Ausbildung ist klar besser als bei uns”, resümiert Petra Meyer, die selbst schon an einer deutschen Schule als Dozentin unterrichtete.  

Ihr Berufskollege Knut Hofmayer, der seit Jahren an der Ludwig-Fresenius-Schule in Leer angehende Physiotherapeuten ausbildet, ist begeistert von der Ausstattung der Universitäten in Mexiko. “Die sind uns weit überlegen und 25 Jahre voraus.” Dies gelte für die Telemedizin ebenso wie für die Robotik.   


Über die guten Beziehungen zwischen Mexiko und Deutschland freuen sich Petra Meyer (von links), Uwe Dieterle, Knut Hofmayer, Jezzy Espinosa, Stephanie Leigers und Llenisse Chazari sowie mit zwei kleinen Patienten der CRIT, einer Rehabilitationsklinik in Mexiko-Stadt.

 

Umso mehr ärgert es ihn, dass die sehr gut ausgebildeten mexikanischen Fachkräfte eben nicht mit offenen Armen in Deutschland aufgenommen werden. So wird erstmal jeder Einzelfall gegen eine Gebühr von 200 Euro geprüft. Dann erhält der Bewerber einen Defizitbescheid, der dokumentiert, was der Kandidat vermeintlich nicht kann. Zudem entstehen häufig weitere, nicht selten vierstellige Kosten. Oftmals muss ein teurer Gutachter entscheiden, welche Fachkenntnisse dem Einzelnen noch fehlen. Fast immer müssen die Bewerber dann noch Anpassungslehrgänge absolvieren.   

Damit zukünftige mexikanische Physiotherapeuten trotzdem in der Region arbeiten können, will die Fresenius-Schule in Leer mit ihrem Schulleiter Patrick Schulte als erste in ganz Niedersachsen ab 2026 zertifizierte Anpassungslehrgänge anbieten.  

Hürden gibt es aber trotzdem noch viele weitere für die einreisewilligen Fachkräfte. So wird der mexikanische Führerschein in Deutschland nicht anerkannt. “Im schlimmsten Fall müssen die Fachkräfte, die in Mexiko im Monat unter 1000 Euro verdienen, für weit über 3000 Euro bei uns auch noch einen Führerschein absolvieren, damit sie später z.B. Hausbesuche als Physiotherapeuten machen können.   

Nicht nur Knut Hofmayer fordert deshalb: “Die Bürokratie in Niedersachsen muss viel einfacher, schneller und flexibler werden.” Projektmanagerin Steffi Leigers sieht hier eine weitere wichtige Aufgabe der Wachstumsregion Ems-Achse: “Wir wollen unsere Lobbyarbeit ausbauen, um die Politik auf diese gravierenden Probleme hinzuweisen.”  


Aufmerksame Zuhörer fand Stephanie Leigers von der Wachstumsregion Ems-Achse bei den Studenten in Mexiko.

 

Wie erfolgreich der Besuch der Wachstumsregion Ems-Achse war, zeigt die große Bewerberliste, die Leigers bereits bekommen hat: “Es gibt 52 Bewerbungen.” Viele von ihnen sollen in den nächsten zwei Jahren auch in Praxen in Ostfriesland, dem Emsland oder in der Grafschaft Bentheim arbeiten. Petra Meyer hat die Reise konkret genutzt, um ihren “Favoriten” bereits auszusuchen.  

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