Gleisanschluss Werlte: Von der Lachnummer in der Heute-show zum Vorzeigeprojekt der Verkehrspolitik
Es ist noch gar nicht so lange her, da bezeichneten der Bund der Steuerzahler und die ZDF-Heute-show den reaktivierten Gleisanschluss von Lathen über Sögel nach Werlte als riesige Verschwendung von Steuergeldern.
Inzwischen müsste ZDF-Talkmaster Oliver Welke eigentlich Abbitte leisten. Auf der Trasse mit ihren beiden neuen Ladegleisen in Sögel und Werlte finden regelmäßig Gütertransporte per Bahn statt.
Allein das Fahrzeugwerk Bernard Krone in Werlte belädt wöchentlich einen kompletten Güterzug mit neuen Lkw-Trailern. Die 28 Waggons werden in Wörth entladen und von dort per Lkw weiter zu den Käufern im Süden gefahren. Im Gegenzug werden dann per Bahn Lkw- und Sattelzugmaschinen von Daimler Trucks über die Schiene nach Werlte transportiert und gelangen von dort zu ihren Kunden in Norddeutschland und Skandinavien.
Wenn es nach dem Willen der Wachstumsregion Ems-Achse und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Landesgruppe Niedersachsen/Bremen sowie der Provinz Drenthe (Niederlande) geht, sollen möglichst viele weitere solcher Bahnprojekte in der Region umgesetzt werden.
Bild 1: Neue Gleisanschlüsse für die Region fordern Dr. Dirk Lüerßen (von links), Georg Lennarz, Heiko Isfort und Dr. Ulf Keller. Foto: Mammes/Wachstumsregion Ems-Achse
Auf einer gemeinsamen Auftaktveranstaltung im Fahrzeugwerk Krone in Werlte diskutierten sie mit Experten der Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden und Kommunen wie eine Gleisanschluss-Charta Nordwest Fahrt aufnehmen kann. “Wir müssen bei den großen Streckenprojekten der Bahn selbst in unglaublich großen Zeiträumen denken”, sagte Ems-Achse Geschäftsführer Dr. Dirk Lüerßen. Allerdings gäbe es gute Chancen, kleinere Vorhaben wie die Reaktivierung von stillgelegten Gleisanschlüssen “kurzfristig” zu realisieren.
VDV-Geschäftsführer Dr. Ulf Keller sieht in der Wachstumsregion den „idealen Partner”, um die Gleisanschluss-Charta Nordwest „ins Rollen zu bringen”. Gemeinsam könne man den Verantwortlichen auf Landes- und Bundesebene zeigen, dass “es in kleinen Schritten geht”.
Heiko Isfort ist Leiter der Logistik der gesamten Nutzfahrzeug Gruppe der Firma Krone: In der Unternehmensgruppe sei er von Anfang an mit seinem Vorhaben, den Abtransport der Trailer in Richtung Süden auch auf die Schiene zu verlagern, auf große Zustimmung und Unterstützung gestoßen. Wobei, wie Heiko Isfort sagt, natürlich auch mal einzelne Mitarbeiter durch eine bessere Anlieferperformance und bessere Auslieferpreise erst überzeugt werden mussten. Dabei dankte er ausdrücklich dem Landkreis Emsland und der Stadt Werlte, die mit der Reaktivierung der Bahntrasse “in Vorleistung” getreten seien. „Inzwischen verlässt jede Woche ein kompletter Zug unserer Werksgelände in Richtung Süden.” Das Ganze rechne sich schon jetzt, mal ganz abgesehen von den umweltfreundlichen Aspekten. Isfort plant in Zukunft sogar, zwei Züge pro Woche mit Trailern zu bestücken.
Das Unternehmen aus dem Emsland könne sich weitere Transporte per Bahn auch nach Frankreich, Italien oder Polen vorstellen. “Auch für unser Werk in der Türkei ist dies denkbar”, so Isfort.
Die Reaktivierung der Bahnstrecke Bad Bentheim nach Neuenhaus in der Grafschaft Bentheim zeigt, dass Werlte kein Einzelfall in der Region ist. Bis Ende 2026 soll dann der weitere Abschnitt von Neuenhaus ins niederländische Coevorden ausgebaut werden. Die Kosten von 54 Millionen Euro teilen sich die Niederlande und Deutschland. In der Diskussionsrunde teilten andere Firmen aus der Region wie ELA-Container in Haren mit, dass sie sich ebenfalls gut vorstellen können, ihre Güter stärker per Bahn zu transportieren. Kreisrat Michael Steffens (Landkreis Emsland) stellt insgesamt “ein großes Interesse von hiesigen Firmen nach einem Gleisanschluss” fest.
Ein großer Unterstützer solcher regionalen und lokalen Projekte ist Bahnexperte Georg Lennarz vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen aus Köln. “Ich kümmere mich seit 27 Jahren um die Verlegung von Gütertransporten auf die Schiene”, sagte er. In dieser Zeit sei die Zahl der Gleisanschlüsse von einst 11.000 auf rund 2000 geschrumpft. Gerade abseits der großen Bahntrassen würde die Bahn kaum noch in die Strecken investieren. Umso wichtiger sei es, dass lokale Akteure wie die Gleisanschluss-Charta Nordwest das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen. “Die Initiative muss aus der Region kommen”, so die Forderung von Lennarz in Werlte. Dabei sei es wichtig, konkrete Projekte wie Gleisanschlüsse für Gewerbe- oder Industriegebiete oder Ladestellen bzw. zusätzliche Gleise an Bahnhöfen zu benennen. Tatsächlich hat sich die Wachstumsregion Ems-Achse bereits auf den Weg gemacht und lässt über ein Gutachten Zukunftschancen der Bahn in der Region ermitteln. Unternehmen, die Interesse an dem Thema haben, können sich an die Ems-Achse (info@emsachse.de) wenden.
Die Veranstaltung fand im Rahmen der Initiative "Bahnverkehr Ems-Achse - Drenthe - Groningen - Overijssel 2050" (BEADDO 2050) statt. Das Projekt „BEADGO 2050“ wird durch das Interreg-Programm Deutschland-Nederland ermöglicht und von der Europäischen Union (EU) und den Programmpartnern kofinanziert.
Het project „BEADGO 2050“ wordt mogelijk gemaakt door het Interreg-programma Deutschland-Nederland en zijn programmapartners en wordt medegefinancierd door de Europese Unie (EU).
Bild 2: Heiko Isfort ist bei der in der Nutzfahrzeug Gruppe für alle Werke der Firma Krone für die Logistik verantwortlich. Foto: Mammes/Wachstumsregion Ems-Achse
Bild 3: Verkehrsexperte Georg Lennarz informierte die Mitglieder der Wachstumsregion Ems-Achse in Werlte. Foto Mammes/Wachstumsregion Ems-Achse
Bild 4: Neue regionale und lokale Gleisprojekte fordert Verkehrsexperte Georg Lennarz. Foto: Mammes/Wachstumsregion Ems-Achse
Bild 5: Die Teilnehmer/innen der Veranstaltung. Foto: Krone